Ob
die überhaupt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird ist eine
andere Frage, dass diese Menschengruppe tätig sind ist eine
Tatsache: In August 2007, zwei Monaten nach Entstehung der
Linkspartei, hat diese Partei eine Historische Kommission gebildet.
Die Historische Kommission (HK) arbeitet heute noch auf Grundlage von
einem Beschluss des Parteivorstands der damaligen PDS aus dem Jahr
2001. Aus 27 Mitglieder insgesamt gibt es vier weibliche Mitglieder.
Ich
stehe die Linkspartei nah, vor allem wegen ihrer
Gerechtigkeitspolitik und ihrer Bekämpfung von Waffenexporten, bin
aber kein aktives Mitglied. Eine tiefer gehende, offene
Gesprächskultur, über die Vergangenheit aller Mitglieder
der Partei, fehlt es mir, gänzlich. Ich hatte gehofft, dass die HK
neuer Arten von Gesprächen in der Partei ermöglichen könnte. Neue
Stellungnahmen zu wichtigen historischen Ereignisse könnten zu neuen
Beziehungen mit der Vergangenheit führen: Hatte ich mir gewünscht.
In der Stellungnahme vom Sprecherrat der H.K. 'Der
17. Juni 1953 im Bannkreis politischer Interessen'
(veröffentlicht Mai 2013) wird
diesen Aufklärungsauftrag nicht vollbracht.
Dort wird behauptet, dass „die Befunde der zeitgeschichtlichen Forschung den sowjetischen Truppen ein maßvolles Vorgehen [während der Tage um den 17. Juni 1953] bescheinigen.“ Mit dieser Aussage wird sämtliche Befunde der zeitgeschichtlichen Forschung, die genau das Gegenteil bescheinigen, aller Bedeutung aberkannt, vermutlich weil einiger dieser Befunde von den falschen Leute veröffentlicht worden sind: Laut Aussagen in Die Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 (veröffentlicht 2004) gibt es 55 Todesopfer des Aufstands die durch Quellen belegt sind. Dieses Buch wurde aber von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur verlegt. Fall die HK wollen, dass ihre Stellungnahmen in der Öffentlichkeit ernst genommen wird, wäre es ratsam die Arbeit von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur zumindest im Betracht zu nehmen.
Selbst
wenn wir die Ergebnisse von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED
Diktatur ignorieren würden, selbst wenn wir bei der Anzahl von 25
Todesopfer blieben, die die SED Regierung zur DDR Zeiten zugegeben
hat: Wieso darf diesen militärischen Einsatz gegen einer weitgehend
friedlichen Gruppe von Aufbegehrenden, einen Einsatz, der
mitverantwortlich war für aller mindestens 25 Todesfälle, als
„maßvoll“ bezeichnet werden? Die HK weißt es sehr wohl: Wenn
ein einziges Mensch bei oder unmittelbar nach einer Demo in
Deutschland heutzutage von der Staatsgewalt getötet wäre, gäbe es
kein einziges Mitglied der Linkspartei, der dieses Vorgehen „maßvoll“
in der Öffentlichkeit nennen würde.
In
der Stellungnahme der HK, die von Jürgen Hofmann erarbeitet wurde,
räumt Hofmann ein, dass „die Einstufung des 17. Juni 1953 als
''faschistischer Putsch'' bzw. Konterrevolution in der DDR blockierte
die kritische Auseinandersetzung mit eigenen politischen Fehlern und
systembedingten Ursachen.“ Des weiteren beschreibt Hofmann das
Schicksal von Max Fechner, der DDR-Justizminister, der auf das in der
Verfassung verankerte Streikrecht der Demonstranten verwiesen hatte
und damit – so die Position der SED-Führung –, angeblich
''faschistischen Umtrieben'' geleistet hatte. Fechner wurde zu einer
hohen Zuchthausstrafe verurteilt, war aber bereits nach drei Jahren
in 1956 aus dem Haft entlassen, und relativ schnell auch
rehabilitiert: In 1958 wurde seine Parteimitgliedschaft wieder
hergestellt, in 1967 erhielt Fechner den Vaterländischen
Verdientsorden in Gold.
Es
ist bemerkenswert, dass Fechner der einziger Akteur von den Tagen um
den 17. Juni 1953 ist, der in der Stellungnahme der HK bei Namen
genannt wird. Nach meinem Verständnis der Geschichte sind die
Menschen wichtiger, die zwischen den 17. bis zum 22. Juni 1953 vor
Standgerichten, die von sowjetischen Truppen eingesetzt waren,
geschossen worden sind. U.a hier zu benennen sind Alfred Diener aus
Jena, der Westberliner Willi Göttling und die beiden Magdeburger
Alfred Dartsch und Herbert Stauch. Zwei anderen Menschen die an den
Aufständen beteiligt waren, Erna Dorn und Ernst Jennrich, waren in
einer Zusammenarbeit zwischen sowjetischen Kräfte und
SED-Staatsgewalt angeklagt, und zu besonderen harten Strafen
verurteilt: Die waren enthauptet, Erna Dorn in 1953, Ernst Jennrich
in 1954. Ich frage nochmal, und überhaupt nicht als rhetorische
Frage gemeint: Wie kann Jürgen Hofmann und die andere Mitglieder des
Sprecherrats solcher Gewaltakte unter die Bezeichnung „maßvoll“
vertuschen wollen?
Hofmann endet mit einem
Aufruf, die Geschichte der Tage um den 17. Juni 1953 zu
entpolitisieren:
„Die Erfahrungen
dieses Ereigniskomplexes [vom 17. Juni 1953] und seiner Einbettung in
das welthistorische Bedingungsgefüge erschließen sich aber erst,
wenn die Diskussion darum nicht mehr politisch einseitigen
Zweckdeutungen unterworfen wird. Für diese Debatte kann und muss
die LINKE einen Beitrag leisten.“
Weil die Historische
Kommission nicht bereit ist, die offensichtliche Grausamkeit bei der
Unterdrückung des Aufstands einzugestehen, einschließlich der
Rolle, die von den sowjetischen Truppen gespielt wurde, bleibt den
unvermeidbaren Verdacht, dass die HK selbst die historischen
Ereignisse einer politischen Zweckdeutung unterwerfen möchte. Nur
wenn die HK und anderen Mitglieder der Linkspartei bereit sind, ein
ehrliches Gespräch mit sich selbst und mit der Vergangenheit zu
führen, kann die historische Debatte über den 17. Juni 1953
innerhalb des linkspolitischen Spektrums vorangetrieben werden.
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