Warum hat Kruse auf die MacNeice Prophezeihung nicht gehört? (Bild: © Superbass / CC-BY-SA-4.0. Via Wikimedia Commons.) |
Aller Erscheinung nach, hat Max Kruse
sein Akzente-Abo irgendwann Ende letzten Sommers verfallen lassen. Sonst wäre
er auf die warnenden Worte des anglo-irischen Lyrikers Louis MacNeice im
Gedicht Die Taxis aus dem Jahr 1961 gestoßen.
Eine erschütternde Prophezeiung, die Kruse sich zu Herzen hätte nehmen müssen: “Und
aus dem Schal heraus, der Fahrer: „Passen Sie auf / Nichts hinter tra-la zwischen
sich zu lassen.“ Dieses geheimnisvolle “tra-la” kann eigentlich nur als
Euphemismus für die 75.000 Euro Bargeld verstanden werden, die Kruse am 18.
Oktober 2015 in den frühen Morgenstunden bei einem Berlinbesuch in einem Taxi
liegen gelassen hat. Wenn Kruse sein Akzente-Abo – dessen Existenz, wie alle
höchstpersönlichen Genüsse, nicht unumstritten ist –, nicht verfallen lassen
hätte, dann hätte er die vier MacNeice Gedichte, aus der deutschsprachigen
Erstübersetzung von Jonis Hartmann und Henry Holland, die in der 3/2015 Ausgabe
erschienen sind, zweifelsohne gelesen. Die Kruse wiederum, nach kurzem Googeln,
auf die von Holland zitierte Erstübersetzung von Die Taxis ganz gewiss gebracht hätte, und auf ihrer
unmissverständlichen Weissagung: “Und aus dem Schal heraus, der Fahrer: „Passen
Sie auf / Nichts hinter tra-la zwischen sich zu lassen.“ Und die Moral der
Geschichte? Wenn wir künftig ein verlässliches Orakel für die liebenswerten Patzer
unserer Bundesligahelden haben möchten, muss ein Verleger nicht also tief in
die Tasche greifen, und sich zum Verlegen Hartmanns und Hollands
Erstübersetzung von MacNeice verpflichten. Und das noch am besten zeitlich zur
Leipziger Buchmesse.
Nachschrift: Der gebürtige
Carrickferguser (Nordirland), Louis MacNeice (1907-1963), soll bei einem von
Whiskey beflügelten Irlandbesuch mit Dominic Behan in 1958 über mehrere Wochen
es wiederholt versäumt haben, seine Abgabe-Deadlines für die BBC zu schaffen.
Dennoch, oder gerade deswegen, ist er zu einer der herausragenden Lyrik-Persönlichkeiten
des vergangenen Jahrhunderts avanciert.
DIE
TAXIS
Im
ersten Taxi war er allein tra-la
Nichts
extra auf der Uhr. Neun Pence Trinkgeld
Doch der
Fahrer, als er dankte, schaute schief
Als hätt
sich da einer die Fahrt erschnorrt.
Im
zweiten Taxi war er allein tra-la
Aber
sechs Pence extra auf der Uhr; das Trinkgeld entsprechend
Und aus
dem Schal heraus, der Fahrer: „Passen Sie auf
Nichts
hinter tra-la zwischen sich zu lassen.“
Im
dritten Taxi war er allein tra-la
Doch die
Klappsitze waren unten und es gab was extra drauf
Anderthalb
Shillings, und seltsamer Duft
Erinnerte
an eine Reise nach Cannes.
Was das
vierte Taxi angeht, war er allein
Tra-la,
als er es anhielt aber der Fahrer
Durchschaute
ihn und sagte: „Ich kann wohl tra-la nicht
So viele
Leute mitnehmen, vom Hund nicht zu sprechen.“
(Originaltext: Collected Poems, 2007. Edited by Peter MacDonald. Um 'The Taxis' auf Englisch und unsere Übersetzung dasselbe zu zitieren, berufen wir uns auf §51 UrhG in Deutschland, das die Verwendung von Zitaten regelt. Die allgemeine Begründung dafür ist, dass Zitate der kulturellen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung einer Gesellschaft dienen. Das Originalgedicht kann man hier nachlesen: The Taxis.)
(Originaltext: Collected Poems, 2007. Edited by Peter MacDonald. Um 'The Taxis' auf Englisch und unsere Übersetzung dasselbe zu zitieren, berufen wir uns auf §51 UrhG in Deutschland, das die Verwendung von Zitaten regelt. Die allgemeine Begründung dafür ist, dass Zitate der kulturellen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung einer Gesellschaft dienen. Das Originalgedicht kann man hier nachlesen: The Taxis.)
Übersetzung von Jonis
Hartmann und Henry Holland, März 2016
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